Zu den Sondierungsgesprächen in Schleswig-Holstein:

Gemeinsame Presseerklärung

Kiel, 15.5.2022

Gleichbehandlung, Integrationsförderung, Gesundheit für alle und ein Einwanderungsministerium

Zivilgesellschaftliche Fachorganisationen adressieren an die künftig in Schleswig-Holstein Koalierenden dringende einwanderungspolitische Handlungsbedarfe

Nach Verlauten finden am Dienstag zwischen CDU und FDP sowie zwischen CDU und Bündnis 90/Die Grünen Sondierungsgespräche über die mögliche Fortsetzung der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein statt. Infrastruktur, Umwelt, Wirtschaft, Klima – an zentralen Themen mangelt es den Verhandelnden nicht.

Aber Schleswig-Holstein ist auch ein Einwanderungsland mit vielfältigen politischen Handlungsbedarfen. Der Anteil der ausländischen Staatsangehörigen im Bundesland betrug im Jahr 2020 ca. 8,5 Prozent. 17,2 Prozent der Bevölkerung haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Jährlich kommen etwa 4.000 Geflüchtete ins Land – bis dato sind darüber hinaus allein 15.000 v.a. Frauen und Minderjährige aus der Ukraine hierher geflüchtet. Über 10.000 Menschen sind aufenthaltsrechtlich geduldet. Doch ohne eine forcierte Einwanderung und systematische Arbeitsmarktintegration der nichtdeutschen Inländer:innen werden bis 2035 ca. 180.000 Beschäftigte auf dem schleswig-holsteinischen Arbeitsmarkt fehlen.

Die ihres Erachtens bestehenden vielfältigen Handlungsbedarfe im Feld der flüchtlings- und Einwanderungspolitik haben 25 schleswig-holsteinische Fachorganisationen schon im Vorfeld der Landtagswahlen den demokratischen Parteien ausführlich dargelegt und veröffentlicht (https://www.frsh.de/fileadmin/schlepper/schl_104/S104_4-5.pdf).

„Die neue Landesregierung sollte sich nach dem Vorbild der Aufnahme ukrainischer Schutzsuchender dafür stark machen, dass künftig Aufenthalt, Zugang zu Sprachförderung, Bildung und Arbeit und volle Sozialleistungen für alle Geflüchteten gleich gelten und keine Diskriminierung nach Herkunft geschieht”, fordert Michael Wulf, Vorsitzender beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.

Die Fachorganisationen zeigen sich sowohl mit Blick auf eine bedarfsgerechte Flüchtlingsaufnahme wie auch auf wirtschaftliche, demographische und arbeitsmarktliche Bedarfe überzeugt, dass eine künftige Koalition gut beraten sei, geduldete Personen systematisch und nachhaltig in Bildung und Beschäftigung zu integrieren, anstatt weiterhin regelmäßig erhebliche Summen für die Ausgrenzung und Aufenthaltsbeendigung von ausreisepflichtigen Geflüchteten auszugeben.

„Schleswig-Holstein muss Menschen Schutz gewähren, die vor Krisen und Kriegen wie in Afghanistan und im Jemen fliehen wollen. Auch dürfen Menschen in den Lagern an den europäischen Außengrenzen nicht vergessen werden. Wir fordern, dass für die anstehende Legislaturperiode eigene Landesaufnahmeprogramme für diese vulnerablen Personen im Koalitionsvertrag festgehalten werden!”, hält Paulina Schneider von den Seebrücken Schleswig-Holstein für unabdingbar.

Gesundheit ist ein Menschenrecht! Die medizinische, psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung sollte für alle Menschen in Schleswig-Holstein, unabhängig vom Aufenthaltsstatus sichergestellt sein. Die künftige Landesregierung muss gewährleisten, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung diskriminierungs- und barrierefrei ist.

Weil der Weg zu einem von Diversität gekennzeichneten Einwanderungsland an vielen Stellen mit gesellschaftlichen Reibungsverlusten einhergeht, muss die künftige Landesregierung auch den Diskriminierungsschutz normieren, sowie den Antirassismus, die Antidiskriminierung und die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts intensivieren. „Ein Landesantidiskriminierungsgesetz muss her und die Landesregierung sollte gegenüber dem Bund mit einer Gesetzesinitiative zur Streichung des mit diskriminierenden Auswirkungen verbundenen Asylbewerberleistungsgesetzes vorstellig werden”, befindet Hanan Kadri vom Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein.

Anfang Mai 2022 hatten 25 Organisationen aus Kirche, Flüchtlingshilfe, Migrant:innenorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Migrationsfachdiensten, Antidiskriminierungs- und Beratungsarbeit, Integrationsförderung und Gesundheitsdiensten öffentlich erklärt, dass eine moderne Einwanderungspolitik auch moderner Strategien und Instrumente bedarf: „Um den vielfältigen Herausforderungen in der künftigen Legislaturperiode angemessen gerecht werden zu können, sollten die Flüchtlings-, Einwanderungs- und Integrationspolitik aus der ordnungspolitischen Verortung im Innenressort der Landesregierung entkoppelt und in einem eigenen vollständig für alle Belange der Einwandernden und der Institutionen des Einwanderungslandes Schleswig-Holstein zuständigen Einwanderungsministerium verankert werden.” (Dokumentation, S. 5)

Unterzeichnende:

Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein e.V. • Beauftragter für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen Schleswig-Holstein • Die Brücke Lübeck und Ostholstein • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.• lifeline – Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Schleswig-Holstein e.V. • SEEBRÜCKEN Schleswig-Holstein • ZBBS e.V.  

Pressekontakt:Martin Link • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. • public@frsh.de • T. 0431-5568 5640

SICHERE AUFNAHME & SICHERES BLEIBEN! Gemeinsam mit 90 weiteren Organisationen hat lifeline e.V. das Bündnispapier zur Landtagswahl Schleswig-Holstein 2022 unterzeichnet

Zahlreiche Kommunen in Schleswig-Holstein haben sich seit 2018 zu Sicheren Häfen erklärt. Ein Sicherer Hafen ist ein Ort der Aufnahme und des Ankommens für Schutzsuchende, insbesondere für jene, die unter katastrophalen Bedingungen an Europas Grenzen festsitzen. Außerdem sollte ein Sicherer Hafen Sicherheit für alle Menschen schaffen, die ganz konkret hier vor Ort leben. Sichere Häfen vermitteln eine andere Lösung für Verteilungsfragen, schaffen Handlungsmöglichkeiten und aktivieren Kommunen und Städte, sich in die Bundes- und EU-Politik einzumischen – gegen die derzeitige
europäische Abschottungspolitik und für eine Willkommens- sowie Solidaritätspolitik. Damit hat das Konzept eine enorme politische Bedeutung. Eine explizite Erklärung des Landes Schleswig-Holsteins zum Sicheren Hafen lehnte die bisherige Landesregierung allerdings ab. Daher fordern wir die zukünftige Landesregierung auf, endlich zu handeln, anstatt weiterhin abzuwarten. Wir appellieren an das Land, dass alle Menschen, die hier leben wollen, auch hierbleiben können. Obwohl für viele Fragen das Aufenthaltsrecht auf Bundesebene geändert werden muss, können die Kommunen und allen voran das Land Schleswig-Holstein schon jetzt rechtliche Spielräume nutzen, um für Menschen ein Bleiberecht zu schaffen und ihnen Sicherheit zu bieten.
Im vergangen Jahr hat Schleswig-Holstein das Abschiebegefängnis in Glückstadt eröffnet. Dessen Betrieb liegt in der Verantwortung Schleswig-Holsteins, aber auch Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg nutzen dort Plätze. Abschiebehaft bedeutet Freiheitsentzug für Menschen, die keine Straftat begangen haben. Durch dieses Instrument erleiden Erwachsene sowie Kinder (Re-)Traumatisierungen.
In Anbetracht der Tatsache, dass Deutschland in Länder abschiebt, in denen erhebliche Gefahren durch Krieg, Folter und schärfste Diskriminierung herrschen, sind die rassistischen Instrumente der Abschiebehaft sowie Abschiebungen grundsätzlich abzulehnen. Jeder hat ein Recht auf ein sicheres und würdevolles Leben. Das Land Schleswig-Holstein kann als positives Beispiel voran gehen, um sich für eine humanitäre Wende in der Asyl- und Migrationspolitik einzusetzen. Die neue Landesregierung sollte eine konsequent wohlwollende und humane Grundhaltung gegenüber Menschen mit unsicherem Aufenthalt einnehmen und ihr Ermessen stets so auslegen, dass auch bei der derzeitigen Gesetzeslage für alle Menschen ein Bleiberecht geschaffen wird. Landesaufnahmeprogramme sind hier zentral, um sichere Fluchtwege für alle Menschen zu schaffen. Das bereits 2021 beschlossene Aufnahmeprogramm für Afghaninnen muss erweitert und sofort umgesetzt werden. Weitere Programme müssen folgen.
Das Land muss zukünftig alle Möglichkeiten ausschöpfen, um menschenrechtsorientierte, schützende und fördernde Lebensbedingungen sowie ein gleichberechtigtes Zusammenleben für alle Menschen zu schaffen – unabhängig von Pass und Aufenthaltstitel.
Als breites zivilgesellschaftliches Bündnis fordern wir zu den Landtagswahlen am 08. Mai 2022 von der zukünftigen Landesregierung,

  • dass sich Schleswig-Holstein als Land zum Sicheren Hafen erklärt und dadurch kommunale Aufnahme aktiv unterstützt. Diese Aufnahme soll zusätzlich zu gesetzlich vorgeschriebenen Kontingenten passieren.
  • Menschen über sichere Fluchtwege in Schleswig-Holstein ankommen, indem weitere
    Landesaufnahmeprogramme beschlossen sowie umgesetzt werden. Außerdem muss das bereits beschlossene Programm für Afghan*innen unverzüglich realisiert und erweitert werden, um mehr Menschen aufzunehmen.
  • sie sich dafür einsetzt, dass Familien selbstbestimmt zusammen leben können. Das bedeutet, dass die Landesregierung bürokratische Hürden der Familienzusammenführung abschafft und schnelle Verfahren ermöglicht, denn Familien gehören zusammen! Dies gilt für biologische sowie selbstgewählte Familien.
  • sie sicheres Bleiben für alle Menschen ermöglicht! Damit geht einher, das Abschiebegefängnis in Glückstadt sofort ersatzlos zu schließen und Abschiebungen zu beenden.
  • sie Prozesse anstößt, ein neues Gesellschaftsverständnis zu entwickeln, in dem rassistische Strukturen in allen Bereichen abgebaut werden und in dem keine Bringschuld an Schutzsuchende besteht.

Digitale Veranstaltungsreihe zu flüchtlings- und einwanderungspolitischen Handlungsbedarfen und Forderungen zur schleswig-holsteinischen Landtagswahl 2022

Kiel, 11.3.2022

Schleswig-Holstein ist ein Einwanderungsland. Für die Aufnahme von Geflüchteten gelten grundrechtliche und völkerrechtliche Verpflichtungen. Weitere Zuwanderung ist mit Blick auf wirtschaftliche und demographische Bedarfe dringend. Doch Teile der Bevölkerung sind getragen von rechtsextremistischen und rassistischen Überzeugungen und begegnen vermeintlich Nicht-Deutschen mit Ausgrenzung oder Aggression. Migration stellt für zahlreiche Betroffene eine besondere gesundheitliche Herausfor-derung dar. In der Gesellschaft bestehen vielfältige flüchtlings- und einwanderungspolitische Handlungs- und Entscheidungsbedarfe.

Am 8. Mai 2022 sind Landtagswahlen in Schleswig-Holstein. Dann wird sich auch die einwanderungspolitische Zukunft des Bundeslandes entscheiden. Mit Kandidat*innen demokratischer Parteien wollen 24 in der Migrationsarbeit engagierte zivilgesell-schaftliche Akteur:innen in den Wochen vor der Wahl die aus ihrer Sicht bestehenden rechtlichen, sozialen und förderungspolitischen Fragen diskutieren. Bei vier Veranstaltungen werden Politiker:innen darüber Auskunft geben, was Geflüchtete, migrantische Communities, Solidaritätsinitiativen und die schleswig-holsteinische Einwanderungsgesellschaft insgesamt in der 20. Legislaturperiode zu erwarten haben. Die vier Veranstaltungen finden am 15. u. 18. März und am 21. u. 29. April jeweils online statt.

Den Auftakt machen zwei Veranstaltungen zu den Themen Antidiskriminierung & Rassismus und Flüchtlingspolitik:

Dienstag, 15. März 18 – 20 Uhr Antidiskriminierung und Rassismus

Der Lebensalltag von Eingewanderten und anderen People of Color ist gekennzeichnet durch alltägliche Diskriminierungen, durch strukturelle Ausgrenzungen, prekäre Beschäftigungen und rechtliche Ungleichbehandlung. Die Veranstaltenden erwarten von der Politik, Rassismus und Diskriminierung innerhalb der Gesellschaft und in den Institutionen nachhaltig abzubauen und gesetzliche Rahmenbedingungen für eine vielfältige Gesellschaft zu schaffen.

– mit Seyran Papo, CDU Serpil Midyatli, SPD • Jörg Hansen, FDP • Nelly Waldeck, Bündnis 90/Die Grünen • Susanne Spethmann, Die Linke • Lars Harms, SSW

– Moderation: Laura Villwock, RBT AWO und Aljoscha Tischkau, Afrodeutscher Verein SH

– Beteiligte: RBT AWO LV SH e.V., Antidiskriminierungsverband SH e.V., Türkische Gemeinde SH e.V., ZEBRA e.V.

Anmeldung: info@rbt-sh.de

Freitag, 18. März 9 – 13 Uhr Flüchtlingspolitik

Die aktuelle ukrainische Tragödie macht die Politik und Öffentlichkeit einmal mehr auf das Schicksal von Geflüchteten und die Bedarfe von Fachdiensten und anderen Unterstützenden aufmerksam. Veranstaltungsthema ist eine Politik, die Geflüchtete künftig nicht nur durch die ordnungspolitische Brille sieht, die der Not der Schutzsuchenden mit robustem Bleiberecht entspricht und die nachhaltiger Integration vor Aufenthaltsbeendigung den Vorzug gibt. In Kooperation mit dem Offenen Kanal SH.

mit Sybilla Nitsch, SSW • Tarek Saad, SPD • Jan-Marcus Rossa, FDP • Tobias von der Heide, CDU • Aminata Toure, B90/Die Grünen

Moderation: Doris Kratz Hinrichsen, Diakonie SH und Hatice Erdem, Arbeiterwohlfahrt SH

Beteiligte: AWO SH, Diakonie SH, DRK SH, Flüchtlingsrat SH, Kirchenkreis HL/RZ

Anmeldung: https://www.diakonie-sh.de/veranstaltungen/detail/fluechtlingspolitik

Teilnahme: Alle angemeldeten Teilnehmenden bekommen vor der jeweiligen Veranstaltung den Zugangs-web-link per eMail zugeschickt.

Download des Skripts der Veranstaltenden mit Themen und Forderungen: https://bit.ly/35N68aS

Zur gesamten Veranstaltungsreihe finden sich online Informationen: https://www.frsh.de/artikel/einwanderungspolitische-veranstaltungsreihe-zur-landtagswahl-2022/

Veranstaltende:

Afrodeutscher Verein Schleswig-Holstein e.V. • Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein e.V. • Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein • Brücke Lübeck/Ostholstein • Caritas LV Schleswig-Holstein • Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Schleswig-Holstein • Diakonisches Werk Schleswig-Holstein • Flüchtlingsbeauftragte der Ev. Luth. Nordkirche • Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.• Netzwerke Alle an Bord!, Mehr Land in Sicht! und IQ Netzwerk SH • Lebenshilfe Schleswig-Holstein • lifeline-Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Schleswig-Holstein e.V. • Medibüro Kiel • PARITÄTISCHER Schleswig-Holstein • PSZ – Die Brücke Schleswig-Holstein • RBT AWO LV Schleswig-Holstein e.V. • Refugee Law Clinic Kiel • Refugio Stiftung Schleswig-Holstein • Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. • ZBBS e.V. • ZEBRA e.V.

Kontakt und Information: Martin Link • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. • public@frsh.de • T. 0431-5568 5640

FLÜCHTLINGSRAT SCHLESWIG-HOLSTEIN e.V.

Sophienblatt 82

24114 Kiel

T. 0431-735 000, office@frsh.de, www.frsh.de

Gemeinsamer Appell von Menschenrechtsorganisationen:

lifeline e.V. schließt sich den Forderungen an.

Stoppt Kinderrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen!

In den Wäldern an der polnisch-belarussischen Grenze harren gegenwärtig geflüchtete Menschen, unter ihnen Kinder und Familien, unter unmenschlichen humanitären Bedingungen aus. Ihre Kinder- und Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Sie leiden unter Unterkühlung, Hunger und Erschöpfung. Sie fliehen vor Verfolgung in der Heimat, Gewalt und Perspektivlosigkeit und suchen Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren. An der polnisch-belarussischen Grenze, aber auch an der bosnisch-kroatischen Grenze, reagieren die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit Abweisung, illegalen Pushbacks und dem Bau neuer Zäune.

Kinder und Familien dürfen nicht zum Opfer regionaler Macht- und europäischer Abschottungspolitik werden. Die unterzeichnenden Organisationen fordern die bestehende und künftige Bundesregierung auf, sofort tätig zu werden, um das Leid der Kinder und Familien an den europäischen Land-Außengrenzen zu lindern. Die Spirale der Gewalt sowie die lebensgefährliche Kälte und Unterversorgung, denen die Kinder insbesondere in Belarus ausgesetzt sind, dürfen nicht ignoriert, ihre Rechte nicht für Machtpolitik kompromittiert werden.

Den kompletten Appell und die unterzeichnenden Organisationen finden sich unter folgendem link:

https://b-umf.de/src/wp-content/uploads/2021/11/appell-grenzeneu-fokuskinder-19112021.pdf

Zum Weltkindertag am 20. September:

Gemeinsame Presseerklärung

Asyl-Zentren: Kein Ort für Kinder – kein Ort für Niemanden!

Schleswig-Holsteinische Organisationen unterstützen Kampagne zum Schutz der in Lagern wohnverpflichteten Kinder.

Künftige Bundesregierung dringend zum Handeln aufgefordert.

Anlässlich des Weltkindertages am 20. September richten schleswig-holsteinische Organisationen ihre Kritik auf AnkER-Zentren und Erstaufnahmelager für Geflüchtete: Diese Massenunterkünfte seien kein Ort für Geflüchtete und schon gar kein Ort für Kinder!

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, der lifeline-Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die Flüchtlingsbeauftragte des Ev. Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, das Lübecker Flüchtlingsforum, das Medibüro Kiel, das Kindercafé Kiel und die Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten Schleswig-Holstein unterstützen die bundesweite Kampagne „Kein Ort für Kinder“ (www.keinortfuerkinder.de) und fordern von der künftigen Bundesregierung ein, den Aufenthalt für geflüchtete Kinder, Familien und Erwachsene in Erstaufnahmelagern auf maximal vier Wochen zu begrenzen.

AnkER-Zentren und „AnkER-Zentrums-funktionsgleiche Einrichtungen“, wie sie in Schleswig-Holstein heißen, sind insbesondere für Kinder Orte der Perspektivlosigkeit und der Angst – sie gehören abgeschafft. Statt sozialer Isolation und fehlender Partizipation brauchen wir faire Asylverfahren und gleiche Rechte für alle Kinder, die in Deutschland leben.

Rechte von Kindern werden verletzt

Während ihres Asylverfahrens müssen Asylsuchende mittlerweile regelmäßig bis zu 18 Monate – in einigen Fällen bis zu 24 Monate – in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben. Familien müssen bis zu sechs Monate dort leben. In Schleswig-Holstein befinden sich solche Erstaufnahmeeinrichtungen in Neumünster, Rendsburg, Boostedt und Bad Segeberg.

In diesen großen und bisweilen abgelegenen Einrichtungen haben ehrenamtliche Unterstützende i.d.R. keinen Zugang. Die dort Wohnverpflichteten sind vom Rest der Gesellschaft isoliert und unterliegen Restriktionen wie Arbeitsverboten und durchgängiger Anwesenheitspflicht. Kinder können meist weder die Regelschule noch reguläre Kitas besuchen, sind dem Angebot von Lagerschulen anheimgestellt und haben innerhalb der Einrichtungen kaum Platz zum Lernen. Das gilt doppelt unter Pandemiebedingungen.

Gleichzeitig erleben Kinder strukturelle Gewalt in ihrem direkten Wohnumfeld und müssen ggf. Abschiebungen und Polizeieinsätze miterleben. Was gegessen wird, bestimmt der Speiseplan in der Kantine. Heimische Speisen und Kochen auf dem Zimmer: verboten. Selbstbestimmung? Fehlanzeige.

Unterstützung von außen wird verhindert

Wegen der Lage und weil der Zugang restriktiv gehandhabt wird, ist es für unabhängige Organisationen und Freiwillige nahezu unmöglich, die Asylsuchenden zu unterstützen. Damit sind auch die Chancen im Asylverfahren negativ tangiert.

Denn Teil des AnkER-Lager-Konzeptes ist, die Zeit zwischen Ankunft und der Anhörung im Asylverfahren drastisch zu verkürzen. Damit Menschen über erlittene Verfolgung, Gewalt und Demütigungen sprechen können, braucht es jedoch Zeit, Vertrauensaufbau und unabhängige Beratung vor der Anhörung. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, werden entscheidende Erlebnisse, z.B. sexualisierte Gewalt oder spezielle Fluchtgründe von Kindern, aus Scham oder Unkenntnis verschwiegen. Asylanträge werden allzu oft trotz fortbestehender Gefahren im Herkunftsland abgelehnt.

Der Versuch der Bundesregierung, Ankunft und schnelle Abschiebungen räumlich in den AnkER-Zentren miteinander zu verbinden, steht in Widerspruch zu den tatsächlichen Schutzansprüchen der Asylsuchenden. Über der Hälfte der Antragsteller*innen wurde im Asylverfahren ein Schutzstatus zugesprochen. Auch viele zunächst abgelehnte Schutzsuchende bleiben langfristig in Deutschland, da Gerichte falsche Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge korrigieren oder humanitäre und familiäre Gründe gegen eine Abschiebung vorliegen.

Wir fordern:

– Der Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen muss auf wenige Wochen begrenzt werden, damit geflüchtete Kinder, Jugendliche und Erwachsene schnellstmöglich in Städten und Kommunen ankommen können. Hierzu ist eine Änderung von § 47 AsylG notwendig.

– Die neue Bundesregierung muss für qualitativ hochwertige Asylverfahren einschließlich unabhängiger Unterstützung und Rechts- und Verfahrensberatung sorgen.

– AnkER-Zentren und funktionsgleiche Einrichtungen müssen abgeschafft werden.

– Enge, Lärm, kein Platz zum Spielen und Lernen, Miterleben von Gewalt und Abschiebungen – darunter leiden viele Kinder auch in Gemeinschaftsunterkünften. Die Unterbringung in Wohnungen muss daher Vorrang vor der Unterbringung in Sammelunterkünften haben. § 53 AsylG muss entsprechend geändert werden.

gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., T. 0431-55685640, public@frsh.de

Unterzeichnende Organisationen:

Flüchtlingsbeauftragte des Ev. Luth. Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg • Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. • Kindercafé Kiel • lifeline-Vormundschaftsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Schleswig-Holstein e.V. • Lübecker Flüchtlingsforum e.V. • Medibüro Kiel e.V. • Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten Schleswig-Holstein e.V.