lifeline zum Sondierungspapier von Union und SPD

Am vergangenen Samstag haben Union und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungen veröffentlicht
(https://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2025/2025-03-
08_Sondierungspapier_CDU_CSU%20_SPD.pdf
).

Teil 4 des Sondierungspapiers beschäftigt sich mit dem Themenbereich Migration – die Inhalte sind ein Angriff auf die Schwächsten innerhalb unserer Gesellschaft!
Es heißt zunächst: „Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung und wollen Integration ermöglichen.“ Die darauffolgenden Ausführungen machen deutlich, dass es sich dabei lediglich um leere Worthülsen handelt.

So soll die Begrenzung der Migration ergänzend zur Steuerung im Aufenthaltsgesetz verankert werden. Dafür sollen, unabhängig von Asylgesuchen, Zurückweisungen an den deutschen Grenzen erfolgen. Hier wird nicht nur das Recht auf Asyl fundamental angegriffen, Zurückweisungen an den Grenzen sind auch unions- und völkerrechtswidrig. Dies wurde in der Vergangenheit durch umfangreiche Rechtsprechung von deutschen Verwaltungsgerichten wie auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt. (z.B.: https://www.ecchr.eu/pressemitteilung/egmr-bestaetigt-unrechtmaessigkeit-von-zurueckweisungen-an-den-binnengrenzen/)

Außerdem sollen freiwillige Aufnahmeprogramme, wie zuletzt das Bundesaufnahme-programm Afghanistan, eingestellt und keine neuen aufgenommen werden. Schon bisher ist die Umsetzung des Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan eine Bilanz des Scheiterns seitens Deutschlands. Nun jedoch auf eine Abschaffung sämtlicher Programme zu setzen und prinzipiell keine neuen zuzulassen, zeugt von einer schlichtweg menschen-verachtenden Politik ohne jegliche humanitäre Verantwortung.

Der Amtsermittlungsgrundsatz im Asylverfahren soll in einen Beibringungsgrundsatz umgewandelt werden. Bisher sollten Behörden den gesamten Sachverhalt ermitteln, nun soll es alleine den Betroffenen obliegen, Gründe für ihre Schutzbedürftigkeit zu beweisen. Hier wird ein fundamentaler Grundsatz des Rechtsstaats angegriffen und Asylsuchenden das Recht auf ein faires Verfahren genommen.

Darüber hinaus planen CDU/CSU und SPD, weitere Staaten zu sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ zu erklären. Wie u.a. eine Analyse von Pro Asyl (https://www.proasyl.de/news/diesicheren-herkunftsstaaten-des-westbalkans-eine-kritische-analyse/) zeigt, ist die Einstufung der bisher als „sicher“ geltenden Länder nicht mit der tatsächlichen menschenrechtlichen Lage in diesen Staaten vereinbar und widerspricht außerdem dem individuellen Recht auf Asyl.

Für die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die wir bei lifeline e.V. begleiten und beraten, ist besonders dramatisch, dass der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten (befristet) ausgesetzt werden soll. Kinder und Jugendliche werden so auf unabsehbare Zeit von ihren Familien getrennt. Wie schon in unserem Appell aus Januar 2025 (https://www.lifeline-frsh.de/appell-demokratierechtsstaatlichkeit-und-menschenrechte-schuetzen/) geschildert, wird hier mit grundlegenden Menschen- und Kinderrechten gebrochen! Der, von der Union propagierte, besondere Schutz der Familie gilt für sie offensichtlich nicht für alle Familien gleichermaßen.

Die bereits eingeführte Bezahlkarte soll deutschlandweit umgesetzt, eine Umgehung verhindert werden. Die Bezahlkarte ist diskriminierend und es wurde mehrfach erfolgreich gegen die aktuelle Umsetzung geklagt, da die persönlichen Lebensumstände nicht genug Berücksichtigung finden. Weitere Informationen unter: https://www.lifeline-frsh.de/vorschlaege-zur-ausgestaltung-derbezahlkarte-in-schleswig-holstein/.

Union und SPD wollen (weiterhin bzw. wieder) nach Afghanistan und Syrien abschieben. Insgesamt soll die Zahl der Abschiebungen mithilfe von sog. Rückführungsabkommen erhöht werden, welche immer einfachere und schnellere Abschiebungen ermöglichen, ohne die tatsächliche Situation sowohl der betroffenen Personen als auch im jeweiligen L and zu berücksichtigen. Des weiteren soll Abschiebehaft ausgeweitet werden, obwohl jede zweite juristisch untersuchte Abschiebehaft rechtswidrig ist (https://www.lsfw.de/statistik.php). Abschiebehaft als freiheitsentziehende Maßnahme zur Durchsetzung eines Verwaltungsaktes (Mensch wird von A nach B gebracht) ist mit Menschenwürde nicht vereinbar. Die hohe Zahl der rechtswidrigen Inhaftierungen zeugt von einer Praxis, die rechtsstaatliche Grundsätze vermissen lässt. Zusätzlich soll noch eine neue Form der Abschiebehaft, ein sog. „Ausreisearrest“, geschaffen werden. Es ist fraglich, wozu genau dieser notwendig sein soll, weil dem deutschen Staat im Aufenthaltsgesetz bereits etliche verschiedene Haftarten für die Inhaftierung vor einer Abschiebung zur Verfügung stehen. Auch die Kompetenzen der Bundespolizei in Hinblick auf Abschiebungen und Abschiebehaft sollen erweitert werden, obwohl an sich die Ausländerbehörden bzw. Landesämter hier in der staatlichen Zuständigkeit sind. Schon jetzt kann die Bundespolizei Anträge auf Abschiebehaft stellen und begleitet Abschiebungen, wo die Ausländerbehörde dies für erforderlich hält.

Im Januar hat die SPD das rechtspopulistische „Zustromsbegrenzungsgesetz“ der Union noch abgelehnt, nun finden sich die grundlegenden Aspekte im gemeinsamen Sondierungspapier wieder.
Das gesamte Papier zeigt klar die nun gemeinsam vertretenen Absichten von CDU/CSU und SPD: Um jeden Preis sollen Einreisen von Schutzsuchenden nach Deutschland verhindert und Abschiebungen ermöglicht werden. Ob dabei Menschenrechte und internationale Abkommen missachtet und letztendlich die betroffenen Personen selbst zu Schaden kommen, spielt anscheinend keine Rolle.


Wir erleben in unserer Arbeit bereits die Auswirkungen des menschenfeindlichen Diskurses der vergangenen Monate, welcher sich in diesem Sondierungspapier manifestiert, auf die jungen Geflüchteten. Sie werden davon verunsichert, leben in Angst vor Ausgrenzung und Anfeindung, können nicht wirklich ankommen, sich zuhause und sicher fühlen. Die Freude derer, die bereits seit Jahren in Deutschland leben und sich als Teil der Gesellschaft gefühlt haben, verwandelt sich in Unsicherheit und Enttäuschung. Dies hat massive Auswirkungen auf die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, auf das Lernen und das Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft. Mit Ermöglichung von Integration hat dieses Papier nichts zu tun. Es fragt sich: Wer hat die Wahl eigentlich gewonnen?


lifeline e.V. steht parteiisch an der Seite der Geflüchteten und fordert:

Die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gelten für alle! Ganz besonders für diejenigen, die aus ihren Herkunftsstaaten fliehen mussten und schutzbedürftig sind. Menschenfeindliche Migrationspolitik, wie sie im Sondierungspapier vorgeschlagen wird, ist nicht Teil der Lösung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. Sie ist Teil des Problems. Denn kein Mensch flieht ohne Grund und Menschenrechte dürfen nie wieder (und zwar wirklich nie wieder) infrage gestellt werden.