20. November – Tag der Kinderrechte

Kinderrechte und die aktuellen Veränderungen in der Verwaltungspraxis bezüglich des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten

In der Kinderrechtskonvention sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention, aber auch im Grundgesetz spielen das Recht auf Familieneinheit, das Verbot der Familientrennung, der besondere Schutz der Familie und insbesondere die in der Regel herausragende Bedeutung der Familie für das Kindeswohl eine große Rolle.

Der Familienbegriff ist in den völkerrechtlichen Verträgen und inzwischen auch im deutschen Recht in vielen Rechtsbereichen weiter gefasst als der Personenkreis von Eltern und minderjährigen Kindern. Es zählen mindestens die (minderjährigen sowie volljährigen ) Geschwister in der Regel zum Familienbegriff dazu, oft auch die Großeltern.

Im Aufenthaltsrecht ist der Familienbegriff allerdings auf Eltern und minderjährige Kinder begrenzt. So haben Geschwisterkinder keinen Anspruch auf die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zueinander. Die dadurch provozierten Trennungen von Familien wurden in Schleswig-Holstein durch den “Erlass zum Nachzug von minderjährigen ledigen Kindern die mittelbar einem Geschwisterkind mit Schutzstatus nachziehen” vom 9.3.2020 in den letzten Jahren in der Regel erfolgreich vermieden.

Die Koalition von SPD, Grünen und FDP hatte im Koalitionsvertrag beschlossen, den Familiennachzug zu erleichtern, den Nachzug von Geschwistern zueinander rechtlich zu ermöglichen sowie den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten dem von anerkannten Flüchtlingen rechtlich anzugleichen, und damit der unverhältnismäßigen Ungleichbehandlung und möglicherweise mit höherrangigem Recht nicht vereinbaren Gesetzeslage im deutschen Bundesrecht abzuhelfen. Zuletzt wurde dieses Vorhaben aber offiziell ad acta gelegt.

Im Zuge der aktuell vorherrschenden Meinung, der zufolge Zuwanderung wo irgend möglich massiv begrenzt werden müsse, wird nun der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten immer mehr begrenzt: Plötzlich hält das Auswärtige Amt nun die Auslandsvertretungen an, keine Ausnahmen beim Geschwisternachzug zu machen.

Desweiteren wird nun plötzlich die gängige Praxis , für die Eltern von unbegleiteten minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten, die kurz vor der Volljährigkeit stehen, Sondertermine zu vergeben und sie so aus humanitären Gründen zu priorisieren, damit nicht mit Eintritt der Volljährigkeit der Familiennachzug unmöglich wird, nicht mehr zugelassen. Es werden auf Anweisung des Auswärtigen Amtes keine Sondertermine mehr an Eltern von subsidiär Schutzberechtigten unbegleiteten Minderjährigen wegen drohender Volljährigkeit vergeben. Damit wird für unbegleitete Minderjährige, die einen subsidiären Schutz erhalten haben, der Familiennachzug extrem erschwert um nicht zu sagen unmöglich gemacht. Und das ohne eigenes Verschulden. Die Asylverfahren sowie Verfahren zum Familiennachzug dauern in der Regel insgesamt zwischen zwei und vier Jahren. Somit wäre für Minderjährige, die mit 15 Jahren einreisen der Familiennachzug fast nicht mehr möglich.

Die Minderjährigen, die von den plötzlichen Veränderungen betroffen sind, sind verzweifelt. Nachdem sie jahrelang alles getan haben, was von ihnen verlangt wurde, und nachdem Betreuungspersonen, Beratende und nicht zuletzt auch Sachbearbeiter*innen von Behörden ihnen zugesichert haben, dass der Familiennachzug möglich sei, stehen sie nun plötzlich vor dem Ende eines Traumes. Das Wiedersehen mit ihren Eltern und Geschwistern ist auf einmal in weiter Ferne, möglicherweise wird es nie mehr möglich sein.

Unbegleitete minderjährige Geflüchtete gehören zu den vulnerabelsten Menschen überhaupt. Sie sind besonders schutzbedürftig. Die Kinderrechtskonvention sowie andere völkerrechtliche Verträge sind höherrangiges Recht, und Bundesrecht sollte daraufhin überprüft werden, ob es mit diesem Recht vereinbar ist. Das Kindeswohl ist bei allen Entscheidungen vorrangig zu prüfen. Kinderrechte gelten für alle Kinder gleichermaßen.

Es ist eine Schande, dass ausgrenzende Stimmungsmache in Gesellschaft und bei politischen Entscheidungsträger*innen sich in einem Verwaltungshandeln niederschlägt, das eine der schutzbedürftigsten Personengruppen vom Genuss grundlegender Menschenrechte, wie dem Recht auf Familieneinheit, auf elterliche Fürsorge und familiäre Beziehungen ausschließt.

Vorschläge zur Ausgestaltung der Bezahlkarte in Schleswig-Holstein


August 2024

Die Seebrücken Schleswig-Holstein und der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein präsentieren mit Unterstützung des Paritätischen SH, des Vormundschaftsvereins lifeline, des Bündnisses Eine Welt SH, der VerDi und weiteren ihre Vorschläge zur Ausgestaltung zu der im April 2024 beschlossenen Bezahlkarte. Wir als Flüchtlingsrat SH und den Seebrücken SH lehnen die Idee einer Bezahlkarte grundsätzlich ab (siehe PE v. 20.6.2024 auf frsh.de), sehen jedoch die Notwendigkeit unter Berücksichtigung der beschlossenen Gesetzeslage ein Modell zu entwickeln, das im Zuge der Verwaltungsumsetzung auf weitergehende Diskriminierungen, die mit der Bezahlkarteeinhergehen könnten, verzichtet.

Initiator*innen
Kontakt:
• Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., Martin Link, Axel Meixner, Tel. 0431-735 000, beratung@frsh.de
• Seebrücke Kiel, kiel@seebruecke.org

Zum Konzept und der Liste der Unterstützer:innen:

Menschen schützen statt Asylverfahren auslagern

Offener Brief von 309 Organisationen

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,


Menschlichkeit ist sowohl in Deutschland als auch in Europa die Basis unseres Zusammenlebens. Sie zu schützen ist unsere gesellschaftliche Pflicht. Dazu gehört auch: Die unbedingte Achtung der Menschenwürde. Sie steht aus gutem Grund seit 75 Jahren in unserem Grundgesetz und gilt für alle Menschen, egal woher sie kommen.
Ausgerechnet am Weltflüchtlingstag beraten Sie die Idee der Auslagerung des Flüchtlingsschutzes aus Deutschland und Europa in Drittstaaten.

Wir, 309 Organisationen und Initiativen, möchten Teil einer Gesellschaft sein, die geflüchtete Menschen menschenwürdig aufnimmt. Wer Schutz bei uns in
Deutschland sucht, soll ihn auch hier bekommen. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht.


Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage.


Als im Flüchtlingsschutz aktive Organisationen und Initiativen wissen wir: Aufnahme und Teilhabe funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen und der politische Wille vorhanden ist. Vor den derzeitigen Herausforderungen verschließen wir dabei nicht die Augen. Wir begegnen ihnen vielmehr mit konstruktiven, praxisnahen und somit tatsächlich realistischen Vorschlägen für eine zukunftsfähige Aufnahme. Dafür setzen wir uns jetzt und auch zukünftig mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften ein – gerade auch auf kommunaler Ebene.

Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, funktionieren hingegen in der Praxis nicht, sind extrem teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar. Sie würden absehbar zu schweren Menschenrechtsverletzungen führen, wie pauschale Inhaftierung oder dass Menschen in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen
menschenunwürdige Behandlung oder Verfolgung drohen. Bei Geflüchteten lösen solche Vorhaben oft große Angst aus und erhöhen die Gefahr von Selbstverletzungen und Suiziden. Dies gilt gerade für besonders schutzbedürftige Geflüchtete wie Menschen mit Behinderung, Kinder, queere Menschen,
Überlebende von Folter oder sexualisierter Gewalt. Das zeigen uns die Erfahrungen der letzten Jahre, etwa das Elend auf den griechischen Inseln als Folge der EU-Türkei-Erklärung.


Aktuell leben drei Viertel der geflüchteten Menschen weltweit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Setzen Sie sich deswegen für eine glaubhafte, nachhaltige und gerechte globale Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz ein.


Wir sind uns sicher: Realistische und menschenrechtsbasierte Politik stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dass Anfang des Jahres so viele Menschen wie noch nie in Deutschland auf die Straße gegangen sind, um ein Zeichen für eine offene und diverse Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus zu setzen, macht uns Mut. Eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht Vielfalt, Offenheit und ein konsequentes Einstehen für Menschenrechte – für alle.

Den Brief und die Auflistung aller unterzeichnenden Organisationen, darunter auch lifeline e.V., findet ihr/finden Sie hier:

Gemeinsame Presseerklärung

Kiel, 18.3.2024

Am 21. März wird in der Kieler Ratsversammlung darüber abgestimmt, ob Kiel als Sicherer Hafen zukünftig keine Menschen mehr in die Abschiebehafteinrichtung nach Glückstadt überführt. Als breites Bündnis verschiedener Organisationen sagen wir klar und deutlich:
“Wir fordern, dass Kiel keine Menschen mehr in die Abschiebehafteinrichtung nach Glückstadt überführt!” Schutzsuchende Menschen vor einer geplanten Abschiebung zu inhaftieren, ist keine rechtliche Notwendigkeit, sondern obliegt einer Ermessensentscheidung.
Mit dieser Abstimmung hat Kiel die Chance zu zeigen, was es heißt, sicherer Hafen zu sein und wie eine solidarische Politik gegen den Rechtsruck aussehen kann!
Wir fordern daher, dass Kiel zukünftig keine Menschen mehr in die Abschiebehafteinrichtung nach Glückstadt überführt.

Abschiebehaft ist unmenschlich. Wir fordern von Kiel eine solidarische Politik!